Keine Klimagerechtigkeit mit fossiler Energieversorgung

von Kathrin Lehmann

Klimagerechtigkeit ist DAS Motto im Klimaaktivismus. Keine Demo, kein Protest vergeht, ohne dass je:mensch ruft: „What do we want?“ (zu Deutsch: Was wollen wir?) und eine Gruppe Demonstrierender „Climate Justice!“ (zu Deutsch: Klimagerechtigkeit) antwortet. Folglich verwenden inzwischen etliche Parteien diesen Ausdruck, um für ihre Klimapolitik zu werben. Nicht thematisiert wird dabei, dass ein Kohleausstieg in frühestens 9 Jahren – wie derzeit in Berlin anvisiert – unvereinbar mit Klimagerechtigkeit ist. Ich gehe sogar noch weiter und sage, dass eine „Klimapolitik“, die auf fossile Brennstoffe auf Basis von Kohle, aber auch Erdgas setzt, es nicht verdient, als solche bezeichnet zu werden. Es ist kein Wunder, dass eine der bekanntesten Klimabewegungen Ende Gelände, an deren Protesten ich mich selbst schon vielfach beteiligt habe, gerade den Ausstieg aus Kohle sowie Erdgas als zentrale Bereiche ihres Handelns definiert.

Die Klimakrise ist das menschengemachte Resultat des Ausstoßes von Treibhausgasemissionen. Die Länder des Globalen Nordens – insbesondere Europa und die USA – haben bis heute an diesen einen überproportional großen Anteil, während die katastrophalen Folgen der Klimaerwärmung vor allem den Globalen Süden treffen. 

Was bisher geschah…

Die Berliner Energie- und Wärmewende ist der größte lokale Hebel für den Klimaschutz. Die bisherige Politik hat jedoch dabei versagt, den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger ernsthaft zu forcieren. Der Berliner Kohleausstieg ist auf 2030 festgesetzt – das sind fast noch 10 Jahre, in denen CO2 in großen Mengen ausgestoßen wird.

Dazu kommt: Der Berliner Senat bereitet bereits den Umstieg der Kohle- auf Erdgas-Kraftwerke vor. Ein Ende der Verbrennung fossiler Rohstoffe steht damit mitnichten bald bevor. Um es einmal in aller Klarheit zu sagen: Sauberes Erdgas ist eine dreckige Lüge! Denn bei seiner Verbrennung wird nicht nur klimaschädliches Methan ausgestoßen, auch die Transportart sowie der -weg haben eine extrem schlechte Klimabilanz. Dazu kommt, dass Erdgas häufig über das zurecht umstrittene Fracking in Ländern des Globalen Südens gefördert wird, wo Rechte von Indigenen verletzt und die dortige Umwelt kontaminiert werden. Dass in Berlin fossilem Erdgas „lediglich“ die Rolle als Brückentechnologie für die Energiewende zugeschrieben wird, ist deshalb kaum ein Trost und steht konträr zur internationalen Verpflichtung, die Klimaerwärmung auf möglichst 1,5° C zu begrenzen.

Bild von Kathrin Lehmann in Klimalisten-Gruppe mit Klimaliste Berlin T-Shirt
Kathrin ("Kathi") Lehmann kandidiert für die Klimaliste Berlin auf Listenplatz 5

Zwar wurden auch in Berlin in den vergangenen Jahren CO2-Einsparungen erzielt, jedoch verringert sich aufgrund der Verlagerung von Kohle auf Gas weder der Verbrauch von Primärenergie noch werden fossile Energieträger durch erneuerbare Energien abgelöst. Der Anteil erneuerbarer Energien in Berlin liegt darüber hinaus mit etwa 5,5% weiter unter dem Bundesdurchschnitt von 17,4%. Der Hauptanteil geht hierbei auf Biomasse zurück, welcher in Berliner Kraftwerken teils über internationale Märkte importiertes Holz und holzartige Biomassen beigemischt werden (PDF). Die hiermit verbundenen Umwelt- und Klimafolgen werden in Berliner Klimabilanzen nicht mit eingerechnet.

Eine gerechte Energiewende, die den Namen verdient

Wir als Klimaliste Berlin haben in ehrenamtlicher Arbeit einen Klimaplan entwickelt, in welchem anhand wissenschaftlich fundierter Maßnahmen aufgezeigt wird, wie eine global gerechte sowie lokal inklusive Energiewende in Berlin doch noch funktionieren kann.

Klimagerechtigkeit ist hierbei unsere Prämisse. Deshalb fordern wir einen sofortigen Bau- und Planungsstopp fossiler und klimafeindlicher Infrastruktur. Konkret bedeutet das einen Kohleausstieg bis allerspätestens 2026 unter zeitgleichem Verzicht von Erdgas als Ersatz. Stattdessen wird es mit uns bis 2030 Strom zu 100% aus erneuerbaren Energien geben. Hierfür werden zum einen die innerstädtische Solarstromproduktion durch entsprechende Förderungen bei Mieter:innen, Eigentümer:innen (Stichwort Energiegenossenschaften) und Unternehmen gestärkt und zum anderen in Zusammenarbeit mit Brandenburg Flächen dort ausgelotet, um Anlagen für Stromerzeugung auf der Basis von Wind und Sonne zu errichten. Umwelt- und Naturbelange sowie solche der dortigen Bewohner:innen werden wir vorbehaltslos berücksichtigen. Ebenso werden wir der Ressourcenausbeutung in Bezug auf importiertes Holz ein Ende bereiten.

Um es klar zu sagen: Die hier grob anskizzierten Lösungswege, die genauer im Klimaplan nachzulesen sind, sind keine Erfindung der Klimaliste. Sie sind bereits bekannt, öffentlich zugänglich und technisch erprobt; soziale Auswirkungen sind erforscht und die Überbelastungen von Menschen mit geringerem Einkommen könnten abgefedert werden. Insofern ist die bisher fehlgeleitete Energiewende des Berliner Senats politisches Versagen.

What do we want? Climate Justice!

Unter diesem haben aber nicht nur die Menschen in Berlin zu leiden, die sich immer mehr eine klimapositive Stadt wünschen. Die durch fossile Energieerzeugung freigesetzten Emissionen befördern weltweit Naturkatastrophen, insbesondere in Ländern, denen es an schützender Infrastruktur gegen Dürre, Ernteausfälle, Hitzewellen, Waldbrände, Wasserknappheit, Stürme etc. fehlt. Auch in Deutschland sorgten zuletzt große Überschwemmungen und Fluten für fast 200 Todesopfer – eine Katastrophe, deren Wiederholung durch den Klimawandel um einiges wahrscheinlicher geworden ist. Während wir weltweit dafür sorgen müssen, dass Menschen vor solchen Katastrophen gewarnt und geschützt werden können, dürfen wir nicht vergessen, dass wir es immer noch in der Hand haben, den Klimawandel zu begrenzen – auch wenn der letzte Bericht des IPCC eine noch erschreckendere Situation gezeichnet hat. Jedes ausgestoßene CO2 hat langfristige Folgen auf das Klima. Eine schnelle, konsequente und soziale Energiewende darf deshalb nicht zur Debatte stehen. Sie muss die Basis sein, auf welcher alle verfügbaren Ressourcen angewendet werden, sofern nicht gewichtigere Gerechtigkeitsgründe dem widersprechen.

Solange das nicht passiert, werde ich weiterhin mit Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung auf die Straße gehen, protestieren und blockieren. Und am 26.09. werden wir als Klimaliste Berlin diesen Weg in das Abgeordnetenhaus bringen!


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