Mutter sein und die Klimakrise

von Gesa Müller-Schulz

Für mich war meine gesamte Kindheit über klar, dass meine Eltern alles dafür tun, dass ich es einmal besser habe. Eins war immer klar in der Beziehung zu meinen Eltern, dass sie mir jede Freiheit mich zu entfalten und “mehr aus mir zu machen als sie es wollten oder konnten” ließen und ermöglichen wollten.

Mit dieser Selbstverständlichkeit bin ich ins Leben gegangen, habe das Kaff aus dem ich komme verlassen, habe in mehreren Ländern und Großstädten gelebt, habe im Bundestag und für internationale Unternehmen arbeiten dürfen. 

Für mich war immer klar, dass ich meine Kinder genauso in die Zukunft gehen sollten. Selbstbewusst und voller Vertrauen, dass die Welt auf sie wartet. 

Aber sie werden in schon wenigen Jahren erfahren, dass Zukunft etwas anderes für sie bedeutet. Für meine Kinder hier in Berlin ist es schon jetzt zu spüren. Eine Stadt die über Wochen bei 40 Grad Celsius erhitzt wird, die ist ein Ofen mit entsprechenden gesundheitlichen Problemen für Menschen mit Diabetes, mit Übergewicht und auch für Babys und alte Menschen. Ich empfand den Berliner Sommer 2020 nicht besonders heiß, trotzdem starben 174 Menschen allein in Berlin an den Folgen der Hitze. Meine Tochter ist im Hitze- und Dürresommer 2018 geboren worden. Wir freuten uns über dieses ruhige Kind, dass immer zu schlafen schien. Bis wir bei einem Ausflug auf den Spielplatz bemerkten, dass ihre Fontanelle eingefallen war. Es ging alles gut, aber sie war schlicht zu müde, um aufzuwachen, auf sich und ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Ich brauche keine wissenschaftlichen Studien, um mir aufzuzeigen, dass es einen Klimawandel gibt. Meine Tochter war 8 Wochen alt als sie die Auswirkungen einer Klimakrise erlebt hat. Ich 37 Jahre. Das ist nicht fair.

Gesa im Klimaliste T-Shirt
Gesa (Listenplatz 3) ist Mutter und Gründerin der Organisation "Deutschland Forstet Auf"

Das zu akzeptieren hat mich vieles gekostet, vor allem den von mir eingeschlagenen Weg in eine Zukunft, die ich mir so schön vorgestellt hatte. Eine Illusion von einer Welt, in der nichts Konsequenzen hat, was ich tue -  außer positive für mich. Meine Art zu reisen, meine Art Klamotten zu konsumieren, meine Art zu essen. Nicht nur zu wissen, dass dies auf Kosten anderer ging, sondern anzuerkennen und auch zu spüren, das hat mich getroffen. Nein, es hat mich überwältigt. 

Aber es hat mich letztlich auch befreit von einer Last ständig in einem Wettbewerb zu sein, ein Wettbewerb um den tollsten Urlaub, die coolsten Klamotten, die beste Performance auf der Arbeit.  Ich bin komplett auf mich zurück gefallen. Und da war das Vertrauen meiner Eltern in mich.

Ich will nicht dafür werben, dass jeder diese Transformation durchmachen muss, dass jede:r Veganer:in werden muss, oder jede:r nicht mehr mit dem Flugzeug reisen soll. Aber ich will dafür werben, hinzuschauen. Es ist heiß, es gibt weniger Insekten die Blüten bestäuben, es gibt kaum noch Eis, das Licht zurück ins Weltall reflektieren kann. Es gibt überall Autos, wo Raum für Spielplätze, Büsche und Bäume sein könnte auf denen alte Menschen an heißen Tagen Schatten finden könnten. Es gibt Überschwemmungen in unserer Stadt, aber es gibt auch die Möglichkeit unsere Stadt umzubauen, so dass wir das Wasser für mehr Bäume, Büsche und Stadtgärten nutzen könnten. 

Meine Eltern hatten materiell nicht viel, aber sie haben alles für mich getan, dass ich es einmal besser haben kann. Dass ich hinausgehen kann, selbstbewusst und voller Vertrauen in eine gute Zukunft, die mir gehört. Ich arbeite jeden Tag dafür, dass ich meinen Kindern das gleich bieten kann.  Dass sie keine Angst vor dem nächsten Hitzesommer, der nächsten Dürre haben brauchen, weil sie in einer Stadt leben, die wir darauf vorbereitet haben, dass die Welt um uns herum eine andere ist als zu meiner Kindheit. Sie sollen ihr Selbstbewußtsein und ihr Vertrauen in eine gute Zukunft haben, weil sie gesehen und erlebt haben, dass wir alles getan haben was wir konnten. Das ist das wichtigste das man einem Kind mitgeben kann: Verantwortung für das Hier und Jetzt übernehmen.

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