Tanz durchs Leben – Ein Parteimitglied stellt sich vor

von Katharina Heidrich

„Alle Menschen sind gleich“

Mit diesem väterlichen Leitsatz ist Uwe Marlaine aufgewachsen. Geboren in einem Körper, der ihm den Namen Uwe einbrachte, stellte er aber schon im Alter von circa neun Jahren fest, dass er doch irgendwie anders war als die Gleichaltrigen. In ihm steckt ebenfalls eine sie, ohne dass es ihr damals schon bewusst war oder es dafür irgendeinen Namen geschweige denn ein gesellschaftliches Bewusstsein gab.

„Irgendwie immer dazwischen“, so bezeichnet Uwe Marlaine sich selbst. Den zweiten Vornamen Marlaine hat sie sich gegeben. Er bedeutet je nach Herkunft „die Liebe, die Gütige“ oder auch „die Sonnengleiche, die Strahlende“ – sehr passend für einen Menschen, der viel lacht und gleichzeitig Wärme und Verständnis ausstrahlt. Und obwohl er immer schon irgendwie zwischen den Stühlen saß – oder gerade deshalb – wollte Uwe Marlaine das Kredo ihres Vaters in die Gesellschaft tragen.

Ob als Klassensprecherin auf dem Gymnasium oder auf Vietnam-Demos als Jugendlicher, er war schon früh politisch interessiert und engagiert. Während eines Ton-Steine-Scherben-Konzerts in der Alten Mensa der TU in Berlin entdeckte sie dann noch eine Leidenschaft für sich: den Tanz als Ausdrucksform. Er war fasziniert, was für eine Kraft das Tanzen hat und verstand es als Heilung und als Ausdruck für Mitgefühl und Gemeinschaft. Den eigenen Musikgeschmack fand Uwe Marlaine zwischen Jimi Hendrix und Pink Floyd, „anders als mein Bruder, der war eher im Mainstream unterwegs“.

Während des Studiums in Göttingen bildete sich in der Kollektiv-Kneipe, in der Uwe Marlaine mitarbeitete und in der sich regelmäßig Mitglieder vom Kommunistischen Bund trafen, die Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL). „Ich hatte aber schon immer etwas gegen dieses Bürgerliche. Der kollektive Gedanke war mir immer wichtiger als irgendeine politische Karriere“, meint Uwe Marlaine. Auch mit den Personen aus dem AGIL-Kreis konnte sie wenig anfangen: „Da gab es einige, die waren so richtiger Mann-Männer.“

Mit wem er aber etwas anfangen konnte, politisch und künstlerisch, war Joseph Beuys. „Ich fand den Menschen toll, weil der immer politisch agierte, nahbar und herzlich war, aber auch immer seine Grenzen klargemacht hat. Der hat versucht, Kapitalismuskritik bei den Grünen einzubringen.“ Auch Uwe Marlaine wollte ursprünglich Kunst studieren, hat dann aber das „handfestere“ Maschinenbau angefangen, abgebrochen und schließlich Landwirtschaft studiert. Während dieser Zeit hat sie auch die vegetarische Lebensweise und das Interesse für den Pflanzenbau für sich entdeckt; vor allem von tropischen und subtropischen Arten.

Mit Tai Chi zu sich selbst gefunden

Nach einer halbjährigen Wüsten-Tour durch die Sahara (als Souvenir hat Uwe Marlaine die Erkenntnis mitgebracht, dass der Mensch der Wüstenbildung entgegenwirken kann) und dem Beginn einer neuen Beziehung, stand schließlich ein Umzug nach Bremen an. Dort hat sie gemeinsam mit einer Freundin einen kollektiven Garten – und Landschaftsbaubetrieb aufgemacht und mit ihr das Buch „Das englische Paradies – Frauen und ihre berühmten Gärten“ veröffentlicht, für das er die Fotografien beigesteuert hat. Im Gartenbetrieb wurden fast nur Frauen ausgebildet, um in dieser Männerdomäne ein Gegengewicht zu setzen. „Ich habe dort gemerkt, dass ich während der Arbeit nicht männlich agieren konnte, weil ich keinen komplett männlichen Körper im herkömmlichen Sinne hatte.“

Als sie mit Anfang 30 angefangen hat, Tai Chi zu lernen, hat sie erkannt, dass sie Frau im Körper eines Mannes ist. Die wachsende Verbreitung des Begriffes „trans“ hat Uwe Marlaine dabei geholfen, sich selbst zu identifizieren. Aber erst später, vor einigen Jahren, kam der Begriff „non-binär“ auf und zum ersten Mal gab es eine Bezeichnung, die er als hundertprozentig passend für sich empfand. Endlich gab es einen Namen für das „Zwischen-den-Stühlen-sitzen“ und das Tragen beider Geschlechter in einem Körper.

„Durch Teamarbeit entsteht eine Energie, die zehnmal stärker ist als die eines einzelnen Menschen.“

Mit Tai Chi ist sie einem körperlichen Bewusstsein näher gekommen, Meditation war dann zusätzlich Balsam für die Seele. Und auch anderen Menschen möchte der Grüner-Tee-Fan Uwe Marlaine das innere Gleichgewicht näherbringen. Heute ist er Vorstand vom TransInterQueer e.V. und lehrt Tai Chi. Eigentlich mit einer Abneigung gegen jede Hierarchien und jedes „von oben herab“ ausgestattet, war sie zunächst überhaupt nicht vom Vorschlag ihres Tai Chi Lehrers begeistert, selbst zu lehren. Tai Chi kommt aber ohne Hierarchien aus, „du nennst dich nicht selbst Lehrer, du zeigst anderen nur auf, in der Mitte zu sein.“ 

Uwe Marlaine beschreibt sich selbst nach dem Yin und Yang Prinzip. Unterschiedliche Kräfte, die entgegengesetzt scheinen, sich aber in einem gemeinsamen Körper nicht bekämpfen sondern ergänzen. In der Politik fehlt genau das oft; es braucht Menschen, die verschiedene Blickwinkel einnehmen können. Die konsequent sein und gleichzeitig Fehler eingestehen können. Als im chinesischen Sternzeichen des Pferdes geborene, sieht sie ihre Aufgabe darin, voran zu gehen und Menschen zusammenzubringen. „Durch Teamarbeit entsteht eine Energie, die zehnmal stärker ist als die eines einzelnen Menschen.“

„Die Erde ist endlich, ich kann nicht an einen Garten einfach einen anderen dranbauen, wenn da kein Platz ist.“ 

Bei radikal:klima spürt er eine Herzensebene in der Kommunikation, die dem kollektiven Gedanken entspricht. „Bei jeder anderen Partei wäre ich nicht im Fluss, da wären immer Widerstände. Es geht hier nicht darum, das Ego nach vorne zu bringen, sondern Inhalte. Durch mein Leben zieht sich diese innere Bewegung hin zum ökologischen Miteinander. Das Kollektive war mir immer wichtig und eine Aufstellung, die es in der Gesellschaft sonst nicht oft gibt.“ Grenzenloses Wachstum war Uwe Marlaine immer schon suspekt, „Die Erde ist endlich, ich kann nicht an einen Garten einfach einen anderen dranbauen, wenn da kein Platz ist.“ 

Als Parteimitglied von radikal:klima ist deshalb auch das Thema Stadtbegrünung eine Herzensangelegenheit. „Leute, wir müssen etwas verändern, wir müssen Bäume pflanzen. Auch für die nächsten Generationen. Wir haben jetzt schon ein Manko an Bäumen und das wird noch schlimmer!“. Ihre Aufgabe bei r:k ist, in das System reinzukommen und etwas zu verändern. Uwe Marlaine sagt, er will den Anderen gar nicht auf die Füße treten, aber es passiert einfach – wie beim Tanzen. „Vielleicht weil der andere Fuß die ganze Zeit etwas falsch steht.“ Hinweisen auf falsche Schritte und aufzeigen, was anders geht, das ist Uwe Marlaines politischer Anspruch.

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