Erfahrungsbericht Extinction Rebellion

von JK

Die Tür des Wagens knallt zu, für einen Augenblick Dunkelheit, bis ein Beamter das Licht anknipst. In meiner kleinen metallenen Zelle versuche ich die Zahlen, die mit Edding geschrieben, auf meinem Arm stehen, zu entziffern. Mein Anruf aus der Polizeistation würde an diese Nummer gehen. Ich lerne sie eben noch auswendig, nur um eine Nummer sicherzugehen, da die Zahlen mit meinem Schweiß davon liefen. Ich schaute mich um, wobei es nur eine kleine Luke gab, die es mir erlaubte den Beamten zu sehen der uns im Wagen begleitete.

“Was halten Sie eigentlich von uns, also XR?”, fragte ich ihn. Er schaute mich einen Moment verwirrt an, und bat um Wiederholung meiner Worte. Danach antwortete er bescheiden: “Na ja, ihr seid ein Haufen Arbeit, und unsere Kräfte können wir garantiert woanders besser einsetzen, als hier zu sein, um euch zu verhaften. Ihr habt da, meiner Meinung nach, einen total falschen Ansatz. Ich finde, es fängt beim Individuum an. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, wie er sich in Anbetracht der Klimaproblematik verhält. Ich mein, wir sind ja nicht das Problem, und das einzige, was ihr tut, ist es uns zu behindern und dazu auch noch Passanten.”. 

Wir diskutierten die Fahrt über sehr konstruktiv und zivilisiert, bis der Wagen endlich hielt. Er begleitete uns hinaus, durch den Haupteingang, weiter in einen Zwischenraum, wo wir abgetastet wurden und jegliche Gegenstände abgeben mussten, und letztendlich in den spärlich beleuchteten Gewahrsamsraum. Dann verabschiedete sich der Polizist und wünschte uns noch alles Gute, er hatte Feierabend.

„Entschuldigen Sie, können wir bitte unseren rechtmäßigen Anruf tätigen?“, fragte ein Aktivist, seine Stimme hallte ein wenig durch den, in gelbes Licht getunkten, Gewahrsamsraum, der aussah wie eine beschmierte Turnhallenumkleide.

Etwas entfernt im Hintergrund lief ein Fußballspiel in einem Nebenraum, während sich die Beamten damit bemühten, einer weiteren Aktivistin im Flur den Sekundenkleber von den Händen zu entfernen, um ihre Fingerabdrücke zu archivieren. „Euch steht jetzt kein Anruf zur Verfügung. Das ist nicht wie im Fernsehen.“, entgegnete uns einer der drei Beamten trocken.                       

Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm man, trotz unseres Widerspruchs (gegen Fingerabdrücke), unsere Personalien auf, und ließ uns gehen. Nun standen wir irgendwo in Berlin-Mitte in einer verlassenen dunklen Straße, beleuchtet vom fremdartig grellen Licht der Polizeiwache. Uns erschlug eine finale Erschöpfung. All die Aufregung, dessen Spannungsbogen ihren Höhepunkt erreicht hatte, erschien uns nun wie ein weit zurückliegender Traum. Die lebendigsten Momente spielten sich, wie nach dem Aufwachen, wieder und wieder vor unserem inneren Auge ab.

Eine Gruppe an Aktivisten nahm uns in Empfang, bei genauerer Betrachtung unsere Bezugsgruppe! Quasi unsere Aktivistenfamilie, in der sich alle persönlicher kennen und aufeinander Acht geben. Es war ein erleichterndes Gefühl, von Ihnen in Empfang genommen zu sein. Wir saßen vor der Polizeiwache mit einer Thermoskanne Tee und warteten auf weitere “Freigelassene”. 

Das war’s also. Drei Monate Planung, ewige Diskussionsrunden bis spät in die Nacht, etliche Workshops und Stunden über Stunden an handwerklicher/künstlerischer Arbeit später standen wir hier: im Nirgendwo. Unser Film neigte sich dem Ende zu, woraufhin uns ein Haufen Fragen durch den Kopf gingen: War es das jetzt wert? Was hätte besser laufen können? Wie geht es den anderen aus der Aktion? Welche Repressionen kommen auf mich zu?

Was kommt als Nächstes ?!

(Ausdrücklich betont sei, dass meine Intention nicht diese der absoluten Kritik, noch jene des vollkommenen Lobes dieser Bewegung ist. Ich selbst habe vor einiger Zeit begonnen an Demonstrationen verschiedenster Gruppierungen teilzunehmen, sowie verschiedene Aktionen mitzuplanen. Primär ging es mir darum, einen Weg zu finden, mein Gefühl der Ohnmacht, in Anbetracht der politisch unzureichenden Handlungen bezüglich der Klimakrise zu bewältigen. Somit hoffe ich mit diesem Blog einen Eindruck verschaffen zu können, wie Klimaaktivismus aussehen kann und welche Problematiken auf welche Weise angegangen werden können.)

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