Klingelstreiche mit der Klimaliste Berlin

von Eva Schulze & Christian Welzbacher

Armin Laschet tut es. Kevin Kühnert tut es. Und wir tun es auch: Die Klimaliste Berlin macht Wahlkampf an der Haustür. Wir sind gut vorbereitet, haben Kühnerts Online-Klingel-Tutorial studiert und wollen jetzt sein Ziel von 30.000 Hausklingeln kassieren. Unsere Kandidierenden Christian und Eva haben im südlichen Neukölln den ersten Selbstversuch gewagt. Heute zeigen sie dir, wie einfach du den Tür-zu-Tür-Wahlkampf in deinem Bezirk durchführen kannst!

Verabrede dich zuerst mit deiner Bezugsperson. Wenn ihr zu zweit unterwegs seid, schafft ihr pro Kopf nur die Hälfte der Kontakte, die ihr allein in der gleichen Zeit geschafft hättet. Check!

Such dir eine Zeit aus, von der du denkst, dass viele Leute dann entspannt zuhause sind, zu der aber tatsächlich fast niemand zuhause ist. Z.B. Samstag, später Nachmittag. Check!

Wichtig ist auch die Auswahl des Wohnviertels. Gegenden, in denen deine Zielgruppe vermehrt anzutreffen ist, umfährst du am besten weiträumig. Stattdessen klingelst du genau dort, wo möglichst wenige Menschen deiner  Partei nahestehen. Britz-Süd fällt eigentlich nicht in diese Kategorie - dort wohnen echt viele Berliner*innen in Blocks aus den späten 50ern, zusammen mit ihrem Frust über die notorisch bekannten privatisierten Wohnungsunternehmen. Unser Thema – unsere Zielgruppe. Kein Check. Oder?

Egal, du stehst vor einem Wohnblock und drückst den ersten Klingelknopf. Wenn dir nach 35 Sekunden niemand aufmacht, klingelst du beim nächsten Namen. Wenn auch hier niemand ran geht, zuckst du mit den Schultern und drückst die nächste Klingel. Nach der fünften Klingel eines Hauses kannst du davon ausgehen, dass das Haus mit einem Fluch versehen ist. Geh einfach zum nächsten Haus. Dem Ziel von 30.000 Klingeln bist du bereits jetzt deutlich näher gekommen!

Nach dem dritten Wohnblock, in dem dir niemand öffnet, macht es Sinn, dich nach Hinweisen auf menschliches Leben in deiner Umgebung umzusehen. Es könnte sein, dass alle anderen Menschen gerade von Aliens weggebeamt wurden und nur ihr zwei zurückgelassen wurdet.

Plötzlich ertönt ein Summer. Die Tür geht auf! Schnell, rein ins Treppenhaus und mit einem Hechtsprung an die Wohnungstür.

„Hallo, wir sind von der Klimaliste, einer neuen Partei. Wir wollen gern mit Menschen vor Ort sprechen. Sie gehen doch wählen?“

Antwort: „Nein.“

„Ja, das ist natürlich...äh, warum nicht?“

Du stellst fest: Viele Menschen haben schlicht kein Wahlrecht. Bei anderen ist der Hase im Tal der Hoffnungslosigkeit am Pfeffer erstickt. „Eine NEUE Partei? Da macht ihr sicher allet anders, wa?“ Endlich das Verständnis, auf das du gehofft hast. „Ja!!“ - „Ach Jott, dit sagen alle andern ooch.“

Manche Menschen öffnen dir nur, um zum Ausdruck zu bringen, dass sie keinen Flyer deiner Partei annehmen möchten. Andere sitzen vielleicht mucksmäuschenstill hinter ihrer Türe und freuen sich darüber, wie lustig du dich vor ihrer selbstgebastelten Elektroklingel erschrickst.

Sorge in jedem Fall dafür, dass du gegen Ende deiner Klingelrunde mit deiner Bezugsperson noch etwas Erbauliches erlebst – das empfiehlt auch Kevin Kühnert in seinem Tutorial. Nach so viel menschlichem Kontakt ist das Runterkommen einfach total wichtig. Check! Die Gropiusstadt liegt um die Ecke, zum Abschluss gehst du ins erstbeste Hochhaus und hast Glück: Der Aufzug fährt dich direkt in den 13. Stock. Noch ein bisschen an Haustüren rumklingeln – und dann: die Aussicht genießen. Wow. Ganz Berlin liegt dir zu Füßen. Herrlich. So muss es sich anfühlen, am 26.9. mehr als 15% der Stimmen einzufahren. Noch ein crazy Gegenlicht-Selfie für Social Media, denn (sagen auch Armin und Kevin) es ist wichtig, dass der Haustür-Wahlkampf medial intensiv aufbereitet wird. Deshalb auch dieser Text hier.

Bevor du heimgehst, rechnest du nach. Innerhalb einer Stunde hast du bei acht potentiellen Wähler*innen einen ganz hervorragenden Eindruck hinterlassen. Wenn du jetzt die verbliebenen 35 Tage bis zur Wahl ununterbrochen weitermachst, kommst du am Ende auf über 6700 Wähler*innen. Das klingt nicht schlecht. Sicher, ein paar Details bedürfen der Justierung...

Bestimmt versuchst du es an einem anderen Tag noch einmal, in einem anderen Kiez, zu anderer Uhrzeit. Eines hast du gemerkt: Laune machen Klingelstreiche im Erwachsenenalter immer noch. Check!

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